Dienstag, 14. Oktober 2008

República Bolivariana Venezuela - Von Wasserfaellen und Tafelbergen

Nach ganzen 407 Tagen Aufenthalt auf der Suedhalbkugel ueberschritten wir bei unserer Nachtbusfahrt zwischen Manaus und Boa Vista wieder den Aequator. Einige Stunden spaeter hatten wir unsere Einreisestempel von den venezuelanischen Grenzbeamten erhalten und unser erstes Ziel, das kleine Dorf Santa Elena, erreicht. Viele Horrorgeschichten wurden uns berichtet bezueglich der Einreise nach Venezuela, von wegen Visa und Touristenkartenaustellung bzw. dem Verbot der Mitnahme von Fremdwaehrung, im Endeffekt ging alles problemlos und auch unsere zuvor in Manaus gewechselten Dollar konnten wir problemlos ins Land bringen. Am Tag darauf fuhren wir sogar nochmals ueber die Gren-ze zur brasilianischen Bank um uns dort Real zu besorgen. Ohne Fremdwaehrung ist Venezuela ein ziemlich teures Reiseland (das einzig guenstige ist Sprit und somit der Transport), da seit einiger der Zeit der Venezuelanische Bolivar in einem staatlich kontrollierten fixen Wechselkurs zum Dollar (1 zu 2,15) bzw. Euro (1 zu 3,15) steht. Am sogenannten Blackmarket in "privaten" Wechsel-stuben oder auf der Strasse bekommt man aber fuer einen Dollar zirka 3,7 Bolivares und fuer einen Euro fast 5 Bolivares, aehnliches gillt fuer den brasilianischen Real. Man "gewinnt" sozusagen mit ein paar Wechseltricks mindestens 1/3 seines Reisebudgets. Am Anfang alles sehr verwirrend, aber mittlerweile wissen wir uns zu helfen :-)
Venezuela ist rund dreimal so gross wie Deutschland und landschaftlich unglaublich vielfaeltig: Karibikstraende, Regenwald und Andengipfel bis 5000m Hoehe gibt es hier zu besichtigen, leider sind sich viele dieses touristischen Potenzials nicht bewusst. Ungefaehr 85% der 27 Millionen Einwohner leben in den staedtischen Gebieten im Norden des Landes.
In Venezuela hat auch Christoph Kolumbus zum ersten Mal suedamerikanischen Boden betreten, spaeter wurde es unter dem Befreiunskaempfer Simon Bolivar unabhaengig. Wie soviele Laender Lateinamerikas erlebte auch Venezuela eine dunkle Phase der Militaerdiktatur. Trotz der hohen Erdoeleinnahmen kam es spaeter in den Zeiten der Demokratie zu immer hoeherer Auslandsverschuldung und anhaltenden Wirtschaftskrisen. Korruption und Veruntreuung durch die politischen Eliten stand an der Tagesordnung. Am 6. Dezember 1998 wurde, nach zwei zuvor versuchter misslungener Putschversuche, Hugo Chávez in freien Wahlen offiziell mit 56% der Stimmen vom venezuelanischen Volk zum Praesidenten gewaehlt. Seitdem wurde er mehrmals im Amt bestaetigt. Mit einer neu ausgearbeiteten "Bolivarischen Verfassung" soll die sogenannte "Bolivarische Revolution" oder der Sozialismus des 21. Jahrhunderts umgesetzt werden. Chávez ist sicherlich international und national zurecht umstritten, hat aber gerade bei der verarmten Bevoelkerung grossen Rueckhalt und einige durchschlagende Erfolge vorzuweisen. So ist Venezuela heute schuldenfrei und im Rahmen der sogeannten Misiónes werden Alphabetisierungskampagnen, ein kostenloses Schulsystem, flaechendeckende kostenlose medizinische Versorgung und vieles mehr organisiert und ausgebaut. Eine enge Zusammenarbeit herrscht wirtschaftlich und politisch mit Kuba, Nicaragua, Bolivien, Ecuador und Argentinien und gemeinsam versucht man sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen anstatt sich von den USA die Politik vorschreiben zu lassen. Eines der groessten Probleme im Land ist aber die Kriminalitaet, so hat Venezuela im Jahr 2007 laut UNO-Angaben die weltweit hoechste Rate an Verbrechen mit Schusswaffengebrauch.
Auch aufgrund dieser Tatsache und weil die meisten Staedte hier ohnehin nicht so interessant sind, werden wir diese eher meiden und unsere Zeit den vielen Nationalparks widmen. Zum Beginn also war unser Ziel das Gebiet der Gran Sabana und der Nationalpark Canaima. Die Gras- und Tafelberglandschaft Gran Sabana ist ein riesiges Hochplateau an der Grenze zu Brasilien und Guyana und weist zerklueftete Taeler mit gewaltigen Tafelbergen auf. Diese werden von den indigenen Penoms als Tepuis bezeichnet. Um die 100 Tepuis gibt es in dieser Region und diese Tafelberge sind die aeltesten Berge der Welt und in den Zeiten der Kontinentalverschiebung zwischen Afrika und Suedamerika entstanden. Den hoechsten dieser Tafelberge den Roraima-Tepui mit 2.810m wollten wir im Rahmen einer 6-Tage Trekkingtour besteigen.
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Quebrada de Jaspe (Jaspisschlucht)

Nach langen Verhandlungen und der Erkenntnis, dass die Touren in Venezuela ganz schoen teuer sind, haben wir uns fuer das billigste Angebot entschlossen. Das hiess in unserem Fall kein Porter(Traeger), kein Koch und alles selber schleppen! Dafuer haben wir aber nur den halben Preis bezahlt. Gemeinsam mit David, einem Spanier (Katalanen), machten wir uns also auf in den Supermarkt, um fuer die naechsten 6 Tage nicht verhungern zu muessen. Die Ausruestung wie Zelt, Matten und Kerosinkocher konnten wir uns ausleihen. Die Ausruestung war uebrigens unter jeder Kritik, die Isomatten haette man bei uns bestenfalls zum Abdecken der Windschutzscheiben verwendet und der Kocher schien beinahe alle paar Tage zu explodieren. Auch die beiden Guides waren lustig ausgesucht, der eine ein 60-jaehriger Venezuelaner, der nur Spanisch sprach und der andere ein 18-jaehriger Guyaner nur mit Englischkenntnissen, Kommunikation untereinander beinahe unmoeglich. Den Rest der Gruppe bildeten ein britisch/suedafrikanisches Paar und zwei Studentinnen aus Slowenien. Die beiden mussten wir aus verschiedensten Gruenden, auf die wir hier nicht naeher eingehen zu wollen, in unsere Liste der 10 schrecklichsten Personen, die wir auf dieser Reise getroffen haben, einordnen. Die ersten beiden Tage gings im stetigen Auf und Ab durch wunderschoene Grashuegellandschaft, immer das Roraima-Massiv vor Augen. Mehrere Baeche mussten wir dabei ueberqueren und wir merkten auch bald, dass es nach 3 Monaten Nichtstun bei Sonne, Strand und Caipirinha, mit unserer Kondition nicht mehr so wei her ist. Hundemuede und geschlaucht fielen wir jeden Tag in unser Zelt, aber zum Glueck wurde mit jeder Mahlzeit unser zu schleppendes Gewicht weniger. Am Tag 3 folgte dann der lange und steile Aufstieg auf das Gipfelplateau und zwei Naechte verbrachten wir oben. Eine einzigartige Landschaft praesentierte sich uns, teilweise sah es aus wie auf einem anderen Planeten. In etwa 80% der Organismen am Roraima sind endemisch, d.h. die vorkommenden Tier- und Pflanzenarten kommen nur hier und nirgendwo anders auf der Welt vor! Sofern die Wolken sich lichteten hatten wir auch eine traumhafte Sicht ueber die umliegende Landschaft. Die ansaessigen Indianer versuchten uebrigens nie den Roraima-Tepui zu erklimmen und erst im Jahre 1884 gelang einem Briten die Erstbesteigung. Heute besuchen ungefaehr 3000 Leute jaehrlich den Tafelberg.
Der Abstieg war dann weniger lustig, aber schlussendlich erreichten wir doch noch den Ausgangspunkt unserer Tour und konnten uns um unsere blauen Zehennaegel und Blasen kuemmern. Obwohl es sich auf jeden Fall rentiert hat, entschieden wir, dass dies definitiv unser letzter Mehrtagestrek auf dieser Reise war!
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am Weg zum Roraima

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natuerliche Schwimmbecken am Berg und Quarzkristallstrand

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David ganz nahe am Abgrund!

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am Bergplateau angelangt

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Skorpion und Spinne am Berg; tote Klapperschlange vorm Camp (vom Guide getoetet)

Nach einem Tag Verschnaufpause in Santa Elena fuhren wir am naechsten Tag weiter in die Stadt Ciudad Bolivar am Ufer des maechtigen Orinoco gelegen. Ausser einem gut erhaltenen kolonialem Zentrum gibt es in der Stadt weiter nichts interessantes zu besichtigen und so ging es bereits am naechsten Tag weiter in Richtung des weltberuehmten Angel Fall (Salto Angel).
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Da es dorthin aber keine Strassen gibt, kommt man in die Region aber nur auf dem Luftweg. In unserem Fall war das eine 6-sitzige Maschine des Typs Cessna, Baujahr 1982! Ein ganz anderes Fluggefuehl als in einem herkoemmlichen grossen Flugzeug, aber wir waren auch ganz froh wieder heil unten angekommen zu sein.
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Das Flugzeug brachte uns in die indigene Ortschaft Canaima, die an der Lagune Canaima liegt und wo sich die meisten Camps befinden. Mehrere Wasserfaelle sind in der Lagune zu bestaunen, der intersannteste ist vielleicht der Salto Sapo. Ein Wasserfall, bei dem man zwischen einer Felswand und einem unglaublichen "Wasservorhang" hinten durchgehen kann. Da die Fluesse derzeit sehr viel Wasser fuehren, blieben wir dabei aber zur Belustigung der Guides nicht trocken.
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Weiter zum Salto Angel fuhren wir noch zirka 3 Stunden flussaufwaerts mit einem motorbetriebenen Einbaumboot, um unmittelbar unterhalb des Wasserfalls unsere Plaetze in der Haengematte einzunehmen. Nach gutem Grillhendel gingen wir frueh zu Bett und naechsten Tag bereits um 6 Uhr Frueh los direkt zum Wasserfall. Gigantisch diese Wassermassen, die da runterfallen und auch schwierig zum Fotografieren, da man von der Gischt voellig nass wird. Der Salto Angel stuerzt sich uebrigens auch von einem Tafelberg und soll mit einer Fallhoehe von 978m der hoechste der Erde sein. Benannt ist der Wasserfall uebrigens nach dem amerikanischen Buschpiloten Jimmy Angel, der im Jahr 1937 eine Bruchlandung auf dem Hochplateau fabrizierte und dem erst nach 11 Tagen ein Abstieg ins naechstgelegene Indiodorf gelang, wo er gerettet wurde. Das Flugzeug wurde uebrigens erst im Jahre 1970 in Einzelteilen vom Tafelberg geholt und anschliessend wieder zusammengebaut und ist heute am Flughafen in Ciudad Bolivar zu besichtigen.
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Indiomaedchen

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verschiedene Perspektiven auf den "Salto Angel"

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verdiente Staerkung und Erholung

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