Dienstag, 26. August 2008

Brasiliens Nordosten: Bahia und Pernambuco

Leicht haetten wir es noch ein paar Tage ausgehalten in Rio de Janeiro, einfach um noch ein wenig zu shoppen oder das eine oder andere Museum zu besichtigen. Dadurch, dass wir einen Flug von Rio nach Salvador da Bahia (im gleichnamigen Bundesstaat gelegen) gebucht hatten , blieb uns keine andere Wahl als die Stadt, die niemals schlaeft, zu verlassen. Unseren Gastgeberinnen wird´s wohl auch recht gewesen sein, dass wieder Ruhe in ihren Alltag einkehrt...
Am 7. August also landete unsere Maschine nach einem zweistuendigen Flug in Salvador da Bahia, das an der "Allerheiligenbucht" gelegen ist und mit 2,9 Millionen Einwohnern die drittgroeste Stadt Brasiliens darstellt. 1549 ist sie gegruendet worden und war bis 1763 Hauptstadt des Landes.
Die Fahrt mit dem Taxi vom Flughafen hinein ins koloniale Zentrum der Stadt fuehrte uns durch Gegenden, wo eine Favela an die andere grenzt - ein trostloser und haesslicher Anblick.
Unser ausgewaehltes Hotel lag aber mitten in der praechtigen Altstadt, die gepraegt ist von den prunkvollen Gebaeuden und Kirchen aus portugisischer Kolonialherrschaft. Dieser Stadtteil fuehrt den Namen "Pelourinho", was eigentlich "Pranger" bedeutet. An einem der Plaetze wurde naemlich sowohl der Sklavenmarkt abgehalten als auch die oeffentliche Slavenaus-peitschung vorgenommen.
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Platz "Pelourinho"

Eigentlich hatten wir uns vorgenommen in Salvador etwas leiser zu treten, denn die anstrengende Woche in Rio hatte durch beginnende Verkuehlungen bei beiden von uns schon ihre Spuren hinterlassen. Nur, nach Salvador faehrt man nicht um sich auszurasten, das ist der falsche Ort dafuer!
Immerhin feiert die Stadt einen der bedeutendsten Karnevals, noch vielfaeltiger als der in Rio. Er dauert sechs Tage und sechs Naechte! Nicht zu vergessen der starke afrikanische Einfluss auf das Leben hier: In Salvador landeten der Grossteil der millionenfach verschleppten Westafrikaner. Sie etablierten hier eine eigenstaendige Kultur gepraegt durch Verschmelzung von afrikanischen Naturreligionen mit Katholizismus (sog. "Candomblé"), rhythmischer, von Schlaginstrumenten dominierter Musik und einer Kueche, deren Zutaten und Zubereitungsformen ebenfalls Ursprung in Afrika haben.
Und obwohl wir nicht zu Karnevalszeiten in Salvador waren, war in den Strassen und Bars genug los. Aus jedem Lokal, aus fast jeder Ecke drang Musik der verschiedensten Stilrichtungen, die einander uebertoent, sich vermischt und ueberlagert. Ueberall Menschen, die nur eines im Sinn hatten: sich zu amuesieren und zu tanzen. Alkohol, zumeist eisgekuehltes Bier, wurde dabei nicht wenig konsumiert.
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Bierkuehlschrank mit -3,5 Grad in der Anzeige

Dem konnten wir uns natuerlich nicht entziehen, zumal die Konzerte fast alle gratis waren, nur bei wenigen zahlte man einen leistbaren Eintritt. Die Getraenke besorgte man sich billig von den zahlreichen Starssenhaendlern, die sich freuten, wenn sie ein Geschaeft machten.
So gelangten wir einmal zu einem Konzert der mittlerweile beruehmten Gruppe "Olodum" (schon mit Paul Simon und Michael Jackson gespielt), die ein wesentlicher Bestandteil des Karnevals ist. Man nennt solche Bands auch "bloco afro", da ihre Texte auch politische Forderungen nach Gleichberechtigung der schwarzen Bevoelkerung enthalten. Es war ein einmaliges Erlebnis, diesen Musikern zuzuhoeren, obwohl die Musik wahnsinnig laut war und wir uns auch irgendwie komisch vorkamen unter all den Schwarzen, die tanzten, als ob es kein morgen gaebe.
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bloco afro in den Strassen Salvadors

Statt dass wir uns tagsueber lange ausschliefen und uns mit Sightseeing begnuegten, mussten wir ja auch noch zusaetzlich einen Sprachkurs machen! Uebers Internet trieben wir eine recht nette und engagierte Lehrerin auf. Sie hiess Inae, war so alt wie wir und arbeitet eigentlich als Lehrerin am Franzoesischen Institut. Zugleich ist sie aber auch Kuenstlerin, sie singt gemeinsam mit ihrem Vater und schrieb Gedichte und ein Monodrama. In fuenf mal zwei Stunden Unterricht sauste sie mit uns durch das Wesentliche der portugiesischen Grammatik. Einerseits war´s gut, dass wir durch unser Spanisch (die Grammatik aehnelt sich sehr) schon einiges an Vorwissen htten, andererseits wurden wir auch mit der Zeit ganz schoen verwirrt. Aber das Geld fuer die Sprachschule war echt gut investiert, denn ploetzlich konnten wir uns doch viel besser ausdruecken und auch um einigs mehr verstehen!
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unsere Lehrerin Inae in der Mitte

Erwaehnung muss auch unser Domizilwechsel finden: Aus verschiedenen Gruenden haben wir verabsaeumt unser Hotelzimmer mit Meerblick(!) zu verlaengern, nach den drei Naechten mussten wir leider raus und in der Eile in der Naehe was gleichwertig guenstiges zu finden habe ich, Ursi, leider die falsche Wahl geroffen: Wir landeten in einem Stundenhotel! Auf den ersten Blick konnte ich das nicht so schnell erkennen (wie auch, war ja noch nie in so einem Etablissement). Aber die Durchreichen in den Zimmertueren (wie im Knast), die "geraeuschlosen", gemauerten Betten, die Moeglichkeit, dass man Kondome bestellen konnte und dass es immer einen Fernsehkanal mit Pornos gab sprach dann doch eine deutliche Sprache. Naja, alles im Leben ist das erste Mal!
Das Zimmer war auch nicht mehr so ruhig wie das andere. Es lag im ersten Stock und schaute mit den Fenstern auf den Platz, wo immer reges Treiben herrschte. So konnten wir Sozialstudien betreiben und die teilweise sehr bedauernswerten Gestalten (Obdachlose, Huren, Freier, Strassenhaendler- und kuenstler...), die auf der Gasse mit betteln und schnorren auch schon mal ziemlich laestig werden konnten, beobachten.
Nun war aber endgueltig Zeit fuer Auskurieren angesagt und wir fanden auch einen Ort wo uns dies ermoeglicht wurde: die Insel Boipeba im Sueden von Savador gelegen. Obwohl es ein wenig kompliziert war dort hin zu gelangen hat sich der Aufwand gelohnt: Wir fanden dort ein kleines stilles Paradies vor. Mit Glueck fanden wir eine guenstige Pousada, die von einem "ausgestiegenen" Kuenstlerpaar aus Salvador gefuehrt wurde. Das inkludierte Fruehstueck war immer reichlich und wir konnten neben verschiedensten exotischen Fruchtsaeften die lokalen Nahrungsmittel wie Suesskartoffel, Kochbananen und Maniok kosten.
Die Zeit vertrieben wir uns mit Sonnenbaden, lesen und Olympiagucken.
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Ach ja, und weil die Restaurants in dem kleinen Fischerort immer ueber frische Ficshe und Meeresfruechte verfuegten, liessen wir uns die Gelegenheit nicht entgehen und kosteten uns durch die Speisekarte und genossen Langusten und Oktopus. Nicht nur unsere Gaumen frohlockten sondern angesichts der guenstigen Preise auch unsere Geldboerse!
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Nach sechs Tagen auf Boipeba wagten wir einen Ortswechsel auf die noch suedlich gelegenere Halbinsel Maraú, der Ort den wir dort besuchten hiess Barra Grande. Anfangs waren wir etwas skeptisch, doch bald entdeckten wir auch hier die Reize: ewig lange Sandstraende, die zum Spazierengehen einluden (das Wasser war aufgrund des starken Windes leider sehr aufgewuehlt und nicht so zum Baden geeignet). Nach gut sieben Kilometer barfusslaufen bekamen wir allerdings Blasen und hoellisch brennende Fusssohlen und mussten retour ein Taxi nehmen ;-)
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Nach diesem fast 10-taegigen Aufenthalt am Strand nahmen wir eine ziemlich beschwerliche Weiterreise in Angriff: 2 Stunden mit dem Boot, dann vier Stunden mit dem Bus, dann wieder eine Stunde mit der Faehre zurueck nach Salvador, von dort mit Glueck noch ueber Nacht wieder mit Bus 13 Stunden ins weiter noerdlich gelegene Recife, Hauptstadt des Bundesstaates Pernambuco, das 1,5 Mio. Einwohner zaehlt und leider auch eine der hoechsten Mordraten Brsiliens aufweist. Dort kamen wir um 8:00 Uhr morgens an und fuhren aber gleich mit Metro und Stadtautobus weiter in die benachbarte kleinere Stadt Olinda(390 000 Einw.), die, gegruendet 1535, wiedereinmal durch portugiesische Architektur glaenzt und ebenso wie Recife Bekanntheit durch den Karneval erlangt hat.
Hier konnten wir dankenswerterweise bei Marcia, Hospi-Mitglied und 50-jaehrige Juristin, und ihrem Mann Jairo absteigen. Die beiden kuemmerten sich redlich um uns, obwohl die Kommunikation teilweise etwas schwierig war aufgrund unserer rudimentaeren Portugiesichkenntnisse. Trotz Berufstaetigkeit liessen es sich die Beiden nicht nehmen und fuehrten uns abends mehrere Male aus. So konnten wir auch in Olinda bzw. Recife das Nachtleben mit seiner vielfaeltigen Musikszene kennenlernen. Wir lauschten und tanzten zu Reagge, Afoxé und Forró, die beiden letzteren Musikstile sind auch ganz typisch fuer Brasilien und die Leute hier fahren voll drauf ab.
Da es leider sehr oft regnete wurde es diesmal nix aus Baden, auch wenn das Haus von unserer Gastgeberin direkt an der Meerespromenade lag. Aber selbst wenn´s Badewetter gegeben haette, waeren wir wohl nicht ins Wasser gegangen, denn ueberall wurde mit Schildern vor Haiangriffen gewarnt! So nutzten wir die Zeit, um einiges fuer unser weiteres Fortkommen im Internet zu organisieren und ich habe endlich meinen brasilianischen Bikini gekauft!

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