Montag, 27. Oktober 2008

Karibische (Alb-)Traueme

Wir liessen uns die Gelegenheit nicht entgehen, um die VenezuelanerInnen, die uns bisher eher unfreundlich und ruede im Umgang miteinander und mit den Touristen vorkamen, naeher kennenzulernen. Was eignet sich hierzu besser als Couchsurfing?
Wir verbrachten also nach unserem Besuch des "Angel Fall" noch eine Nacht in Ciudad Bolívar, um dann mit dem Nachtbus in die 700 000 Einwohnerstadt Maracay, ca. 1 1/2 Autostunden westlich von der venezoelanischen Hauptstadt Caracas gelegen, zu fahren. Dort empfing uns schon um acht Uhr morgens der 28-jaehrige José Luis. Er wohnt gemeinsam mit seiner Mutter und seinem juengeren Bruder in einer Wohnung nahe dem Zentrum von Maracay. Dort angekommen durften wir sein gesamtes Zimmer in Anspruch nehmen (inkl. PC). Er hingegen schlief waehrend unseres Aufenthaltes im Zimmer seines Bruders und der wiederum musste ins Schlafzimmer der Mutter ausweichen! Wo gibt´s das?
Kaum haben wir uns ausgebreitet, wurden wir auch schon bewirtet mit selbstgemachten Fruchtsaeften und den landestypischen "Arepas", das sind gebratene oder frittierte handtellergrosse Laibchen aus Maisgriess. Diese Arepas werden dann mit allerlei pikanten Sachen gefuellt, wie zum Beispiel Kaese, Schinken, Fleisch, Eierspeise u.s.w. Von ein bis zwei Arepas ist man so voll, dass man fuer den Rest des Tages kein Essen mehr braucht!
Wir waren verbluefft von dieser (Gast)Freundlichkeit. Die Leute auf der Gasse waren so anders...
Gleich am Ankunftstag lernten wir noch zwei andere befreundete Couchsurfer von José kennen: Awi, eine 23-jaehrige Psychologin, und Rafael, 29, der eine vierjaehrige (!) Reise rund um die Welt per Autostopp plant!

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Avi, Roland, Rafael, Angela, Ursula

Tags darauf fuehren wir mit José, der sich freigenommen hat, in das zwei Stunden entfernte Staedtchen "Colonia Tovar". Es zaehlt nun ca. 14 000 Einwohner und wurde 1843 von 358 ausgewanderten Deutschen aus dem Schwarzwald gegruendet. Die Nachfahren dieser Auswanderer lebten lange Zeit unter sich, erhielt Colonia Tovar doch erst um 1960 eine Asphaltstrasse. Die Menschen leben dort vom Obst- und Gemueseanbau (1800 - 2000m ue. d. M), neuerdings auch vom Tourismus. Die Haeuser sind im typischen Fachwerksstil gebaut und man kann in den Resaturants und Cafes Bratwuerstel mit Sauerkraut und Schwarzwaelderkirschtorte essen. Da haben wir uns natuerlich nicht zweimal bitten lassen!

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mit José Luis beim Bratwuerstelessen
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ach ja, den haben wir auch entdeckt...

Am naechsten Tag war Freitag und wir verabredeten uns vormittags mit Rafael, der mittlerweile die Couchsurferin Angela aus Berlin in Empfang genommen hat, am Busbahnhof. Zu fuenft fuhren wir die Serpentinenstrasse hinauf durch Venezuelas aeltesten Nationalpark "Henri Pittier", der unzerstoerten Regenwald aufweist. Dann gings ebenso Serpentinen hinunter an die karibische Kueste, genauer in die Doerfer Choroní bzw. Puerto Columbia, die sich beide in die gruenen Kuestentaeler schmiegen.

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unser Gefaehrt an den Strand (inkl. 1A Soundanlage)

Wir bezogen unseren Schlafsaal in einer Posada mit deutscher Fuehrung, um wenige Minuten spaeter am Weg zum Strand zu sein. Dabei machten wir es den Venezuelanern nach und deckten uns mit ausreichend alkoholischen Getraenken und Eis ein. Rafael brachte eine Kuehltasche mit, in welcher wir Bier und selbstgemachten Kakaolikoer aufbewahrten. Wir blieben insgesamt bis Sonntag mittags in Choroní und haetten es dort bestimmt laenger ausgehalten, doch José musste am Montag wieder arbeiten und wir wollten sein Schlafzimmer wieder raeumen. Es war ein sehr lustiges, feuchtfroehliches Wochenende, in welchem wir uns im sehr sauberen karibischen Meer erfrischen, den milden venezuelanischen Rum und eine Reihe neuer Leute (Belgier, Briten, Deutsche) kennenlernen konnten.

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Strand in Choroní
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Spass in der Posada

In der Nacht von Sonntag auf Montag uebernachteten wir ungeplant gemeinsam mit Angela bei Rafael und konnten so seine Familie und deren Gastfreundschaft auch noch kennenlernen.
Montags fuhren wir mit halben Gepaeck (einen Teil liessen wir bei Rafael zurueck) und dem geborgten Zelt von Rafael nach Caracas. Die Fahrt dorthin nahm statt 1 1/2 Stunden fast vier Stunden in Anspruch. Wir gelangeten in einen ausgewachsenen Verkehrsstau, so etwas haben wir noch nie gesehen! Unser Ziel war eigentlich der Flughafen von Caracas, der ausserhalb der Stadt und bereits am Meer liegt. Wir wollten so um 13 Uhr dort ankommen um noch Flugtickets auf die Inselgruppe "Los Roques" zu ergattern. Gluecklicherweise kamen wir trotz Stau zur geplanten Zeit am Flughafen an und es gab auch noch freie Plaetze fuer den gewuenschten Flug.
"Los Roques", das aus 42 Inseln und unzaehligen Sandbaenken besteht und sich 170 km noerdlich der venezoelanischen Kueste im karabischen Meer befindet, stellten wir uns als den wahrgewordenen karibischen Traum vor. Wir fanden schon vor geraumer Zeit heraus, dass campieren im Zelt auf einigen Inseln gratis moeglich ist. Das war unser Plan: Eine Woche Robinson zu spielen und so den Touristenstroemen und den teuren Posadas zu entkommen. Klar, es wuerde Verzicht auf Komfort bedeuten,aber wir vertrauten darauf, dass die karibischen Straende uns fuer gewisse Entbehrungen entschaedigen wuerden...
Der Flug nach Los Roques in einem 8-Sitzer war angenehm. Auf der Hauptinsel angelangt, holten wir uns sofort die Camping- erlaubnis bei den Nationalparkwaertern. Wir erfuhren dabei, dass noch insgesamt vier Leute ihr Glueck im Zelt versuchten.
Die erste Nacht verbrachten wir noch auf der Hauptinsel (Gran Roque) - und welche Freude - wir trafen auf Felicity (Australien) und Natalie (Deutschland), zwei befreundete reisende Aerztinnen, die gemeinsam fuer 5 Monate durch Suedamerika unterwegs sind. Wir haben sie schon am Schiff am Amazonas getroffen, weiters am Roraima, beim Salto Angel und nun hier! Sie verbrachten auch fuenf Tage im karibischen Paradies, allerdings leisteten sie sich eine Unterkunft. Beide schwaermten sie uns vor, vergassen aber nicht die laestigen Sandfliegen und Moskitos zu erwaehnen. Nun gut, wir hatten ja genuegend Repellens mit...
Am darauffolgenden Tag liessen wir uns gleich zeitlich in der Fruehe auf eine kleine Nebeninsel mit dem Namen Francisqui bringen. Wir verbrachten einen herrlichen Tag auf gleissend weissen Straenden und in unglaublich klarem, tuerkisem Wasser! Ein Traum auf Erden!

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ohne Worte

Tagsueber wurden auch ein paar Tagestouristen auf die Insel gebracht, doch die wurden dann gegen vier Uhr nachmittags wieder abgeholt und wir lachten uns ins Faeustchen, denn wir durften hierbleiben, die ganze Insel nur fuer uns zwei - wie romantisch!
Das Lachen verging uns aber so gegen drei/vier Uhr morgens: Ploetzlich wurden wir beide aus dem Schlaf geweckt, denn der gesamte Koerper fing ploetzlich zu jucken an. Was war los?
Ein Blick mit der Stirnlampe liess uns erstarren: Im Zelt wimmelte es vor klitzekleinen Sandfliegen (hier "Puri-Puris" genannt). Die Biester konnten durch die engen Maschen des Zeltnetzes durchkrabbeln!!! Schlimmer konnte es nicht kommen! Wir waren verzweifelt! Schlimm genug, dass einem Moskitos und Sandfliegen untertags zeitweise das Leben schwer machten (das Repellens half uebrigens nur bedingt). Aber wenn nun das Zelt keine Rueckzugsnoeglichkeit mehr bietet, was soll man da tun? Es war zum Haareraufen!
Sobald die Sonne aufgegangen war fluechteten wir uns ins Meer, der einzige Ort, wo man vor den Peinigern sicher war. Aber man kann sich doch nicht den ganzen Tag im Wasser aufhalten?!? Fieberhaft ueberlegten wir, was wir tun koennten.
Der Tag Schritt voran und wir mussten zu unserem Leidwesen erkennen, dass auch ploetzlich, quasi ueber Nacht, die Moskitos und Sandfliegen an Zahl rasant zugenommen haben. Man war vor ihnen fast nirgends mehr sicher. An Erhohlung war nicht mehr zu denken!
Mit viel Zaehneknirschen kamen wir zu dem Entschluss, dass wir im wahrsten Sinne des Wortes unser(e) Zelt(e) abbrechen muessen. Eine weitere Nacht im Zelt unter diesen Bedingungen haetten wir beim besten Willen nicht asugehalten! Nicht einmal einer, der wirklich hart im Nehmen ist, kann diesen Blutsaugern standhalten. Mittlerweile schauten wir schon aus als, ob wir Masern haetten, total zerstochen!
Also organisierten wir uns eine fruehere Abholung von der Insel und zurueck auf der Hauptinsel buchten wir unsern Rueckflug auf ein frueheres Datum um (schluchz)! Wir leisteten uns fuer zwei Naechte eine Zimmer und machten am daruffolgenden Tag noch einen Versuch, das Archipel mittels Tagesausflug zu erkunden. Doch auch auf anderen Nebeninseln mussten wir erschreckend feststellen: Es wimmelt von Moskitos und Sandfliegen! Bei aller Schoenheit des Meeres und der Straende, aber diese Viecher koennen einem saemtlichen Genuss vermiessen! Wir hoerten uns um und fanden uns in unserer Vermutung bestaetigt, dass der juengst vorbeiziehende Hurrican "Omar" durch die vielen Regenfaelle auch ideale Lebensbedingungen fuer diese miserablen Insekten schuf.
Aus sieben Tagen Aufenthalt auf Los Roques wurden also "nur" drei Tage. Klar, besser als nichts, aber wir waren schon gehoerig enttaeuscht. So schoen hatten wir uns alles vorgestellt -nichts ist daraus geworden!
Wieder am Festland angekommen fuhern wir schnurstraks zu Rafaels Haus, gaben das Zelt zurueck, packten unsere restlichen Sachen und fuhren noch in der selben Nacht weiter nach Westen in die Oelstadt Maracaibo und von dort am naechsten Tag gleich im Anschluss an die kolumbianische Grenze.
Nachdem unsere mitgebrachten Devisen zur Neige gingen und uns die venezoelanischen Llanos (aehnlich den bolivianischen Pampas) und die venezoelanische Andenregion im Moment weniger reizten beschlossen wir, frueher als geplant, nach Kolumbien zu wechseln, ganz nach dem Motto: Neues Land, neues Glueck!
torres66 - 9. Nov, 20:12

Ich kenne die Karibik,war einmal auf Jamaika, gottseidank gab es keine Stechmücken, schade um euen Inselurlaub, wünsche euch trotzdem weiter alles Gute und freuen uns auf ein Wiedersehen vor Weihnachten

Onkel Gerhard, Wien

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