Mittwoch, 17. September 2008

Wo die "Wueste" auf´s Meer trifft oder : Vom Winde verweht

Dank eines Anschlussfluges in Recife fanden wir uns 4 Stunden nach unserem Abflug aus Fernando de Noronha in Fortaleza ein. Von vornherein hatten wir keinen Aufenthalt in dieser 2,5 Milllionen-Einwohner-Stadt geplant (brasilianische Grossstaedte haben wir schon genug gesehen!), daher entschieden wir uns fuer eine sofortige Weiterfahrt in das vier Autostunden entfernete Kuestendorf Jericoacoara. Dieser Flecken Erde hatte es in den letzten Jahren durch die guten Bedingungen fuer Wind- und Kitesurfen zu einer beachtlichen Bekanntheit gebracht, Surfprofis aus aller Welt "ueberwintern" hier. Keine Frage also, dass wir uns persoenlich vom beruehmten Flair ueberzeugen wollten. Haken an der Sache ist nur, dass "Jeri" ziemlich entlegen liegt und man nur mit Allradgefaehrt dorthin kommt, da die Gegend rundum sehr versandet ist. Wir leisteten uns also naechtens einen doch ziemlich kostspieligen privaten Transport nach Jeri mit dem Ergebnis, dass wir so gegen 3 Uhr morgens dort ankamen. Das war gerade die Zeit wo die ersten Partytiger nach Hause ins Bett wankten. Um 3 Uhr morgens kann man natuerlich in keiner Unterkunft einchecken - es blieb uns daher nichts anderes uebrig als uns die Zeit mit ein paar Bierchen an der guenstigsten Ortsbar bis zum Morgengrauen zu vertreiben. Den Sonnenaufgang beobachteten wir so gegen 5:30 auf der riesigen Sandduene, gleich vor der Ortschaft.

DSCN7690
DSCN7694
"Hausduene" von Jeri

Gegen 7:00 Uhr getrauten wir uns bei unserer Gastgeberin Ingrid (eine deutschsprachige Brasilianerin, die eine Pousada betreibt) anzulaeuten. Sie schaute ein wenig verdutzt, war aber so lieb und liess uns rein, obwohl wir sie sichtlich ueberrumpelt haben!
Wir blieben fuenf Tage in Jericoacoara, obwohl wir keine Ambitionen hatten das Wind- oder Kitesurfen zu erlernen (Anfaenegerkurse waren uns schlicht und einfach zu teuer) und obwohl das Meer fuers Baden nicht sonderlich einladend war, weil durch den staendigen heftigen Wind zu aufgepeitscht.

DSCN7703

Blieb als weitere Verlockung das beruehmte Nachtleben, selbst das haben wir verschlafen! Aus irgendeinem Grund haben wir einen sehr verlangsamten Rhythmus gehabt und die Anziehungskraft der Haengematten auf Ingrids Veranda war einfach zu gross. Einmal habe ich, Ursi, alleine einen zweistuendigen Ausritt gemacht, ueber die angrenzenden Huegel und Duenen und zurueck nach Jeri am Strand entlang. Das war supergenial, ich bin mir vorgekommen wie Winnetou und Lawrence von Arabien in einer Person!

DSCN7738

Einen vollen Tag verbrachten wir bei einem Ausflug in die naehere Umgebung auf einem sog. "Buggy" (= Minijeep). Die Tour brachte uns an Mangrovengebiet vorbei, wo wir Gelegenheit hatten Seepferdchen von naechster Naehe zu beobachten, in einer Suesswasserlagune zu baden und gegrillen Fisch und Garnelen zu speisen.

DSCN7767
DSCN7768

Zur Routine wurde uns das Beobachten des fruehabendlichen Treibens am Strand kurz vor dem Sonnenuntergang: Wo sich tagsueber aufgund der sengenden Hitze nur die Surfer herumtrieben, versammelte sich so ab 16:00 Uhr fast das ganze Dorf. Capoeirataenzer uebten allabentlich ihre akrobatischen Tanzschritte und jedesmal fand eine regelrechte Voelkerwanderung auf die "Hausduene" statt, um von dort den Sonnenuntergang gegen 17:30 zu beobachten. Es gab immer heftigen Applaus, wenn der glutrote Ball im Meer versank, eine brasilianische Eigenheit, die uns anfangs etwas seltsam vorkam, spaeter klatschten wir aber auch fleissig Beifall ;-)

DSCN7762
DSCN7734
DSCN7725

Danach ging´s schnurstraks zu den sogenannten "Baracas", fahrbare Verkaufsstaende, die alle Arten von Cocktails feilboten. Bei dem Angebot von einem Caipirinha um bloss einen Euro konnten wir ja nicht nein sagen. An diesen einfachen mobilen Bars der Einheimischen haben wir auch einige unserer besten Caipirinhas ganz Brasiliens getrunken. Mit dem Zuckerrohrschnaps wird auch nicht gespart, es handelte sich immer um mindestens die doppelte Menge Schnaps, wenn nicht die dreifache Menge - Portionierer kennen die keinen, alles wird nach Gefuehl gemischt.

Unser weiteres Ziel war es, ins 700 km weiter westlich gelegene Sao Luis zu gelangen. Wir wollten den Weg an der Kueste entlang nehmen, denn auf der Strecke gab´s den Nationalpark "Lençois Maranhenses" (sprich: Lenzois Maranjenses) zu besichtigen. Das Unternehmen gestaltete sich ein wenig abenteurlich, da wir kaum vernuenftige Information ueber "oeffentlichen" und somit guenstigen Transport bekamen. Es waere ein leichtes gewesen wieder einen privaten Chauffeur im 4WD anzuheuern, doch die Preise dafuer waren horrend. Zu guterletzt fanden wir aber doch noch eine Moeglichkeit zumindest bis in einen Ort, der knapp vor dem Eingang zum Nationalpark liegt, zu kommen. Das ganze Unterfangen nahm zwei Tage Fahrtzeit (also einmal zwischendurch uebernachten) in Anspruch, wir mussten insgesamt viermal umsteigen. Die Reise gestaltete sich aber als kurzweilig, da wir nicht die einzigen Touristen waren, die diesen Weg waehlten: Ein Paar aus England hatte das selbe Ziel vor Augen und so kam es, dass wir mit Nick und Hannah fuer die naechsten Tage zusammen reisten. Ausserdem kreuzten unsere Wege immer wieder eine bunt zusammengewuerfelten Reisegruppe (Briten, Aussies, Kiwis, ein Russe, Deutsche), mit der wir auch so unseren Spass hatten (Stichwort: Gruppendynamik und Gruppendruck).
Es war es wert, die Strapazen (bruetenden Hitze und stundenlanges Hocken in rumpelnden Gelaendewaegen) auf uns zu nehmen, denn dieser Nationalpark "Lençois Maranhenses" (woertlich uebersetzt: Leintuecher von Maranhão; letzteres ist der Name des Bundesstaates in dem sich der NP befindet) beherbergte eine Landschaft, die wir noch nie wo zu Gesicht bekamen.
Auf 1550 km² ertreckt sich ein riesiges Gebiet mit Duenen, geformt aus feinstem, fast weissem Sand. Mit Fantasie erkennt man ein grosses Leintuch, das sich ueber die Erde breitet und seine Falten wirft. Unterbrochen wird das gleissende Weiss von glitzernd blauen Farbtupfern, den Suesswasserlagunen, von denen es nach der Regenperiode an die 5000 in verschiedenen Groessen gibt. Viele trocknen im Laufe der Zeit aus und es bleiben nur ein paar wenige ueber, die fuehrten aber noch ausreichend Wasser, als wir den Park besuchten, um darin ein erfrischendes Bad zu nehmen.

DSCN7812
DSCN7836
DSCN7869

Einerseits bekommt man beim Besuch dieser bizarren Gegend den Eindruck von groesstmoeglicher Trockenheit, auf der anderen Seite, nur wenige Kilometer vom NP entfernt, schlaengeln sich Fluesse, teilweise so breit wie die Donau, gesaeumt vom frischesten tropischen Gruen durch die Landschaft um in den Atlantik zu muenden.
Zu guterletzt erreichten wir die Stadt Sao Luis mit einer knappen Million Einwohner. Immer noch reisten wir mit unseren britischen Freunden gemeinsam und die "seltsame" Gruppe, ueber die wir immer mehr pikante Details in Erfahrung brachten, schaffte es auch bis Sao Luis. Gemeinsames Auskosten des Nachtlebens war also vorprogrammiert, noch dazu wo dieser Stadt der Ruf als als Reggaehauptstadt Brasiliens vorauseilt. Sonst faellt in Sao Luis wieder einmal der Einfluss der Portugiesen auf die Architektur auf. Das historische Zentrum ist eigentlich zu einem Touristen-ghetto verkommen, viele der urspruenglich herrschaftlichen Haeuser, dekoriert mit den typischen portugiesischen Fliesen, rotten vor sich hin.

DSCN7898
eines der seltenen renovierten Haeuser

Das noch tragischere an der Sache ist, dass in diesen Abrisshaeusern noch Menschen leben. Ein Streifzug durch die Altstadt zeigte uns diese erschuetternde Wirklichkeit. Unter hygienisch bedenklichsten Bedingungen hausen in den Ruinen die armen Leute, uebelster Geruch schlug uns entgegen, schon zu Mittag waren viele der Bewohner nicht mehr Herr ihrer Sinne, sichtlich zugedroehnt mit Alkohol oder sonstigen Drogen. Einfach schrecklich und schlimm mit anzusehen! Die grassierende Armut ist eine der unschoenen Seiten Brasiliens, die wir nicht ausblenden koennen, dagegen nehmen sich andere negative Ereignisse wie Rolands wahrscheinlich gestohlene Sonnenbrille oder eierlegende Parasiten (Sandfloehe) in unseren Fusssohlen harmlos aus!

Kontakt

dieweltreisenden@gmx.at

Die Welt ist ein Buch. Wer nie reist, sieht nur eine Seite davon.

Augustinus Aurelius, Philosoph

User Status

Du bist nicht angemeldet.

Menü

Aktuelle Beiträge

Heimkommen
Am 19. Dezember um Punkt 19:43 war es also soweit:...
dieweltreisenden - 30. Dez, 12:04
Finale in Bogota
Santa Fe de Bogota, wie die Hauptstadt Kolumbiens genau...
dieweltreisenden - 18. Dez, 16:58
Was fuer ein tolles Finale
Lieber Roli, Liebe Ursi, Ihr seid super, Spitzenklasse,...
chandl - 9. Dez, 21:05
Ecuadorrr und Galapagos...
Plan B war also der urspruenglich nicht eingeplante...
dieweltreisenden - 9. Dez, 02:07
Drogen, Kunst und Krankheit:...
Wieder einmal eine Nachtbusfahrt bei Kuehlschranktemperaturen,. ..
dieweltreisenden - 23. Nov, 15:52

Zufallsbild

DSCN2812

Suche

 

Wer Rechtschreibfehler findet darf sie behalten!

Web Counter-Modul


Profil
Abmelden
Weblog abonnieren