Samstag, 17. Mai 2008

Bolivien - La Paz

Nach erholsamem Tagen in Sucre fuhren wir wieder rund 1000 Hoehenmeter bergauf nach La Paz, Regierunssitz Boliviens und inoffizielle Hauptstadt. Mit rund 1 Mill. Einwohnern ist sie eine in vielerlei Hinsicht verrueckte Stadt und davon konnten wir uns in 6 Tagen Aufenthalt ein gutes Bild machen.
Die Stadt liegt mitten in den Bergen zwischen einer Hoehe von 3.100m und 4.100m, wobei die Reichen eher in den Villen im unteren Stadtbereich wohnen und die vielen Armen dichtgedraengt oben an den steilen erdrutschgefaerdeten Haengen. Das Leben oben ist nicht nur aufgrund der duenneren Luft schwieriger, auch die Temperaturen sind im Jahresschnitt um 6 Grad Celsius niedriger als in der Unterstadt.
Ueberragt wird La Paz vom schneebedeckten 6.439m hohen Illimani.
Wir quartierten uns im Zentrum in einem ueberaus netten Hostal, einer wahren Ruheoase, ein und merkten gleich in den ersten Stunden, dass das Atmen auf dieser Hoehe wieder schwerer faellt und wir einen Gang zurueckschalten muessten. Auch die starke Luftverschmutzung und der chaotische Verkehr setzten uns zu. Die tausenden Taxis und Minibusse fahren ohne feste Haltestellen und mittels Schreien aus den fahrenden Autos versucht man neue Fahrgaeste zu gewinnen. Dazwischen an allen Ecken und Enden Polizei, die versucht den Verkehr mittels Trillerpfeifen und Herumwacheln zu lenken, meistens ein hoffnungsloser Fall. Also La Paz kann man keineswegs als schoene oder angenehme Stadt beschreiben, andererseits findet man aber eine Menge interessanter Dinge vor.
Zum Beispiel die vielen Maerkte, die uns nicht losgelassen haben und wo wir uns kraeftig mit Textilien eingekleidet haben. Alpacawollsocken, Pullover, Jacken und vieles mehr wanderten ueber den Ladentisch und wir zerbrechen uns gerade den Kopf, wie wir das Zeugs wohl nach Oesterreich bringen. Wir werden uns wahrscheinlich dazu entschliessen, ein grosses Paket nachhause zu schicken, kommt immer noch viel billiger, als die Klamotten in Europa zu kaufen. Besonders makaber war der sogenannte "Hexenmarkt", an dem allerlei Kraeuter, Aphrodisiaka und Kurioses verkauft wird. Unter anderem fanden wir dort ausgestopfte Guerteltiere und Lamafoeten!
Wir besuchten auch wieder ein groessere Anzahl an Museen, am interessantesten fanden wir das Coco-Museum, sicher das beste dieser Art weltweit. Darin wird einem die Geschichte der Coco-Pflanze von ihren Anfaengen bis in die Gegenwart dargebracht. Die Blaetter des Coca-Strauches sind reich an Calcium, Protein, Eisen und verschiedenen Vitaminen und stellten fuer die Indígenas, die frueher keine Milchprodukte kannten, die einzige Calciumquelle dar. Auch wurde das Coca von den Inkas zu medizinischen Zwecken verwendet, u.a. als Betaeubungsmittel bei Gehirnoperationen! Als Mittel gegen Soroche (=Hoehenkrankheit) ist es seit Jahrhunderten unbestritten hilfreich, wovon wir uns selber schon mehrmals ueberzeugen konnten. In der Volksmedizin der Anden wird es auch gegen Schmerzen, Rheuma, Erkaeltungen, Grippe, Koliken, und vieles mehr verschrieben. Mate de Coca (Coca-Tee) ist in Bolivien und Peru sozusagen Nationalgetraenk. Auch der Coca-Cola Konzern importiert jaehrlich 105 Tonnen(!) Blaetter aus Bolivien. Soweit sogut, waere da nicht auch die Moeglichkeit aus den Coca-Blaettern mittels eines chemischen Verfahrens Cocain, ein Derivat von Coca, herzustellen. Dieses Cocain wird zum Grossteil in den USA und Europa konsumiert. Hergestellt wird es uebrigens auch mit Unterstuetzung "westlicher" Chemiker und Labors, das damit verdiente Geld wiederum in den grossen Banken des Nordens reingewaschen. Einfacher fuer die westlichen Industrienationen, federfuehrend die USA, ist es aber natuerlich, die Schuld am Cocain-Konsum den Entwicklungslaendern wie Bolivien zu geben und daher wird ein regelrechter Krieg gegen die Coca-Pflanze gefuehrt und mittels Satelliten und Militaer dagegen vorgegangen und flaechendeckend alles Gruenzeugs vernichtet. Dass man dabei auch die Lebensgrundlage der Bauern, die seit Jahrhunderten Coca anbauen, vernichtet, wird dabei in Kauf genommen. Von den vielen anderen moeglichen Einsatzgebieten der Pflanze (Nahrungsmittelindustrie, Kosmetik, Medizin,...) will man nichts wissen, da das ja ein Angriff auf die Pharmaindustrie und sonstige Lobbies waere. Der Handel und Besitz von Coca wird fast ueberall auf der Welt gesetzlich verfolgt, was ungefaehr so sinnvoll ist, wie Mohn zu verbieten, weil sich daraus Opium herstellen laesst. In Deutschland wird bei einem Besitz von bis zu 30 Gramm Kokatee von einer Anklage abgesehen (das sind gerade 15 Teebeutel!), in Österreich ist der Besitz eines einzigen Gramms strafbar! Seit Evo Morales, frueher Gewerschaftsfuehrer der Coca-Bauern, Praesident Bolivens ist, scheint sich aber in der Coca-Politik einiges zu aendern und die offizielle Regierungslinie sieht als Ziel, die Entkriminalsierung der Pflanze weltweit nach dem Motto: "Coca Si, Cocaina No!"
Weitere interssante Infos unter:
www.cocamuseum.com bzw.
www.evomorales.net
Wir waren aber in La Paz nicht nur auf Maerkten und haben uns mit Coca beschaeftigt :-). La Paz stand auch ganz im Zeichen der Folkore. Im Teatro Municipal wohnten wir einem Konzert bei und zu unserem Glueck fand am letzten Tag unseres Aufenthaltes ein grosses Folklorefestival, die Fiesta del Gran Poder, statt. Dieses Festival ist eines der groessten der gesamten Andenstaaten und ganz La Paz stand Kopf, um die 50.000(!) TaenzerInnen und MusikerInnen waren dabei im Einsatz. Beginn war um 8:00h frueh und das ganze dauerte bis in die spaeten Abendstunden - ein Riesenspektakel!

Roli vor Praesidentenpalast
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Lamafoeten am "Hexenmarkt"
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La Paz von oben
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im Teatro Municipal
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Fiesta El Gran Poder
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